Wenn ein Mineral zum Lebensinhalt wird: Faszination Fluorit

Interview von Christian Weise mit Robert Brandstetter

Solche zonar gebauten „Augen-Fluorite“ sind wahrscheinlich die verrückteste Bildung, die bis heute an Fluorit entdeckt wurde. Dieser allseitig ausgebildete Kristall ist 7 x 4,5 cm groß und zeigt die grünen Augen auch ohne Hintergrundbeleuchtung! Geborgen 2008 aus einer mächtigen Pegmatit-Miarole am Hohenstein bei Kudubis, Erongo-Gebirge, Namibia. Sammlung & Foto: Robert Brandstetter

Der Fluoritsammler Robert Brandstetter wohnt im östlichen Landesteil von Österreich, rund eine dreiviertel Autofahrstunde südwestlich der Hauptstadt Wien. Er sammelt seit dem Kindesalter Mineralien und hat bereits im Schulalter, mit 14 Jahren, die große Leidenschaft für sein Mineral, den Flußspat, wie er damals noch bezeichnet wurde, entdeckt. In über drei Jahrzehnten teils akribischer Sammeltätigkeit ist eine qualitativ hochwertige Spezialsammlung herangewachsen, die sich eines außergewöhnlichen internationalen Bekanntheitsgrades erfreut. Die Exponate sind auf 10 Schaukästen verteilt, in zwei vollständig abgedunkelten Räumen, systematisch nach Ländern geordnet. Rund 95% der Sammlungsstücke sind ausgestellt und systematisch nach Erdteilen, Ländern, Lagerstätten und Fundpunkten sortiert. Grund genug für LAPIS, ein Sammlerporträt zu erstellen und die Hintergründe und Motivationen zu erfragen.  


Die erste Frage, die sich natürlich aufdrängt, ist: Warum beginnt man eine Spezialsammlung und wie kommt man dabei auf Fluorit?
Diesen Gedanken habe ich in den letzten drei Jahrzehnten auch schon öfters angedacht. Speziell immer dann, wenn es wenig Neues in Sachen Fluorite gab. Zwischendurch habe ich auch immer wieder weitere themenspezifische Spezialsammlungen aufgebaut. Ich denke da an eine Grubenlampen-, eine Lavrion-Sammlung oder eine Spezialsammlung aus den Bergwerken in Maramures, Rumänien. Darin hatten sich immerhin 100 ausgezeichnete Stücke angesammelt, die ich selbst bei vielen Besuchen vor Ort zusammengetragen habe. Diese Themen haben sich für mich aber relativ schnell erschöpft und die Sammlungen wurden auch alle wieder im Laufe von höchstens einem Jahrzehnt aufgelöst. Der einzige mineralogische Schwerpunkt, der sich wie ein roter Faden beinahe schon durch mein ganzes Leben zieht, ist die Fluoritsammlung, an der ich nie die Freude verloren habe. Das Mineraliensammeln erlebte Anfang der 1980er Jahre einen unglaublichen Aufschwung. Da ich den naturwissenschaftlichen Zweig eines Gymnasiums in Wiener Neustadt besucht hatte, wo es gleich zwei weitere Mineraliensammler in meiner Klasse gab, kam ich auch sehr früh mit Sammlervereinigungen in Kontakt, welche sich der Förderung und Pflege dieser Leidenschaft verschrieben hatten. Hochinteressante Vorträge bei Vereinsabenden und die Möglichkeit, sich durch Fachliteratur der Vereinsbibliothek weiter zu bilden, vertieften sehr rasch die Verbundenheit mit den Mineralien, die mein weiteres Leben stark geprägt und bis heute fest im Griff haben. Am Beginn sammelt man alles von überall, Hauptsache es glitzert! Durch meinen ausgeprägten Sinn für Perfektionismus musste ich allerdings sehr rasch feststellen, dass diese Art des Sammelns nicht die meine sein konnte. Für mich sollte damals schon eine Kollektion eine gewisse Ansammlung von Objekten sein, die dem Zweck der Vervollständigung eines Gesamtüberblicks, über ein bestimmtes Thema, dient. Kurz gesagt, eine Sammlung wird höchstwahrscheinlich niemals „fertig“ sein, sollte aber dennoch nach vielen Jahren einen besonders repräsentativen Querschnitt über das Thema bieten. Das kann aber bei „alles von überall“ nicht funktionieren. Damit war rasch klargestellt, dass der Weg in eine spezielle Richtung nur eine Frage der Zeit sein würde. Warum Fluorit? Meinen ersten Fluorit kaufte ich, damals noch von meinem Taschengeld, am 1. Oktober 1983 von dem Wiener Mineralienhändler Franz Groß. Ein würfeliger Fluorit auf Quarz, gefunden in der West Pastures Mine in Nordengland. Englische Fluorite gab es damals in großen Mengen auf den Mineralienbörsen im Wiener Raum. Diese Stufe befindet sich noch heute, nach über drei Jahrzehnten, katalogisiert mit der Nr. 1 in einem meiner Schaukästen. Mit diesem Stück waren die Weichen unumgänglich in Richtung des bunten kubischen Spats gestellt.

Worin ist Fluorit so einzigartig?
Fluorit bietet dem Betrachter ein beinahe unerschöpfliches Spektrum an Farben und wird nicht umsonst in der Literatur auch als „Mineral des Regenbogens“ beschrieben. Besonders faszinierend sind aber ebenso die farblosen und wasserklaren Kristalle, wie sie in Dalnegorsk, Sibirien gefunden werden oder die pechschwarzen glänzenden Würfel aus Annaberg in Sachsen. Diese sind in erwähnenswerten Mengen gegen Ende der 1990er Jahre aufgetaucht und verdienen die Bezeichnung „schwarze Fluorite“ zu Recht. Die sicherlich begehrtesten Fluorit-Farbtöne sind rosa bis rötlich und stammen hauptsächlich aus den Westalpen – der Schweiz und Frankreich. Mit dieser Vielfalt an Farben kann als einziges weiteres Mineral nur Turmalin mithalten. Während der Fluorit aber dem Betrachter zumeist seine ganze Farbenpracht bereits in den Händen gehalten offeriert, muss der Turmalin oftmals mit starker Beleuchtung dazu erst animiert werden. Fluorit ist ein Durchläufer-Mineral, welches weltweit und in tausenden Fundstellen angetroffen wird. Besonders faszinierend sind demnach auch die Möglichkeiten der Vergesellschaftung mit weiteren Mineralien. In meiner Sammlung habe sich inzwischen Paragenesen mit Aquamarin, Topas, Rhodochrosit, Amazonit, Arsenopyrit, Scheelit, Bertrandit oder Gersdorffit, um nur einige wenige zu nennen. Wer Fluorit sammelt, muss deshalb nicht zwangsläufig auf die vielen anderen Mineralien verzichten! Fluorit gehört auch zu den besonders formenreichen Mineralien und bildet sieben verschiedene Hauptkristallformen aus, die aber auch kombiniert vorkommen können. Es gibt sogar Kristalle, in denen alle sieben Formen auf einmal anzutreffen sind, aber auch solche, in denen einzelne Formen gleich mehrmals, im verschiedenen Winkel, auftreten. Daraus ergibt sich ein beinahe unerschöpflicher Reichtum an Kristallisationsmöglichkeiten, welche noch durch traubige, radialstrahlige oder Spezialausbildungen, wie Ochsenaugen, ergänzt werden. Mein belgischer Freund Eddy Van Der Meersche hat viele Jahre damit verbracht, in Zusammenarbeit mit Sammlern aus mehreren Ländern alle auftauchenden Fluoritformen zu dokumentieren und präsentierte das Ergebnis vergangenes Jahr, in Form eines dicken Buches, der Sammlergemeinschaft.

Nach welchen Kriterien werden die Stücke für deine Sammlung ausgewählt?
Obwohl mir die Mineralienvergesellschaftung sehr wichtig ist, sollte der Fluorit, soweit wie möglich, immer auch der Blickfang des jeweiligen Stückes sein. Der ideale Aufbau einer Stufe wäre ein rund 5 cm messender, solitär aufgewachsener Einzelkristall, der mittig auf einem rund doppelt so großen Stück sitzt. Leider bilden derartige Stufen aber eher die Ausnahme. Ein Hauptkriterium war für mich immer, dass die Kristalle auf der Ansichtsseite keine Beschädigungen aufweisen und nicht geklebt oder gar montiert sind. Ein echtes Problem hätte ich mit Stücken, wie etwa die fragilen Perderneira-Turmaline, die oftmals wie Bausätze aus Dutzenden zerbrochener Einzelteile in tagelanger Kleinarbeit wieder rekonstruiert werden und wo man fehlende Teile einfach durch Kunstharz ergänzt und verfüllt. Ein Kunstwerk der Natur soll für mich auch ein Kunstwerk der Natur bleiben! Darum kann ein Fluorit, aus meiner Sicht, auch schon einmal einen Spannungsriss zeigen oder eine matte Oberfläche aufweisen. Beinahe jede einzelne Fundstelle hat auch ihre eigene Charakteristik und die sollte, durch zu gut gemeinte Reinigung der Stufe, nicht verloren gegangen sein. Die berühmte Kabinettstück-Größe gilt auch für meine Sammelobjekte als die ideale. Von der Kinder- bis zur Erwachsenenfaust, also um mindestens 5 bis maximal 15 cm. Kleiner sollten die Stücke keinesfalls sein, denn ein schöner Fluorit sollte durchaus auch mit freiem Auge gut sichtbar sein! Größere Stücke stellen auch für mich, wie für so viele andere Privatsammler, die bereits einige Jahrzehnte sammeln, ein Platzproblem dar. Nach Aufbau und Größe der Objekte spielt die Fundstelle eine maßgebliche Rolle. Dazu braucht es Erfahrung und gute Fachkenntnis, um abschätzen zu können, was an einer Örtlichkeit an Kristalldimension, Qualität und Paragenese möglich sein kann. Es ist wichtig eine gute Stufe auch als solche zu erkennen, wenn man schon die Chance hat, sie in Händen zu halten. Sollte ein neues Stück auftauchen, welches meinem gedachten Ideal näher kommt als ein bereits vorhandenes, werde ich nicht zögern, einen Austausch vorzunehmen. Mein Hauptaspekt war immer, dass jedes meiner Sammelstücke den Fundort, aus dem es stammt, so angemessen wie möglich repräsentiert! Bei jener unüberschaubaren Menge an verschiedenen Fundstellen oder auch den vielen verschiedenen Ausbildungen, die oftmals ein einziger Fundpunkt über Jahrzehnte liefern kann, ist es besonders wichtig, eine persönliche Grenze zu ziehen. Natürlich ist es auch in einer Spezialsammlung nicht möglich, von jeder Fundstelle ein akzeptables Stück zu haben.

Gibt es bei dir auch sogenannte „Schubladenstücke“?
Natürlich gibt es auch in meiner Sammlung einige Schubladenstücke. Da ich mich zu den „klassischen Sammlern“ zähle und wenige ausgesuchte Lagerstätten nebenbei systematisch dokumentiere, haben sich vereinzelt auch Belegstücke angesammelt. Die Anzahl ist aber im letzten Jahrzehnt kaum gestiegen. Es fällt mir dazu ein 5 mm messender Würfel auf Calcit und Kalkstein ein, der einem historischen Fund vom St. Gellértberg im Stadtgebiet von Budapest entstammt und beim Bau der Erzsébet-Donaubrücke gefunden wurde. Auch österreichische Fluorite sammle ich systematisch. Davon ist auch nicht jeder „vitrinentauglich“, aber für mich persönlich trotzdem „sammelwürdig“.

Was verstehst du unter einem „klassischen“ Sammler?
Heutzutage hat sich ein neuer Sammelstil etabliert, welcher den alten mehr und mehr ablöst. Gegenwärtig wird auffällig weniger ins Detail gegangen und die Materie leider sehr oberflächlich behandelt. Die Art und Weise des Sammelns ist beinahe schon einer Mode untergeordnet. Kommerz prägt das Bild zahlreicher Veranstaltungen, wo Mineralien angeboten werden. Bedeutende Stücke werden als sogenannte Wertanlage angeboten und verkauft. Mir persönlich kommen dabei die persönliche Note, die Studie der Objekte und generell die Beschäftigung mit den Mineralien zu kurz. Immer mehr Sammlungen, besonders in Übersee, von wo dieser Trend scheinbar kommt, gleichen einander wie ein Ei dem anderen. Der einzige erkennbare Unterschied liegt in der Qualität der „Modestücke“, welche den Betrag widerspiegelt, den ein Käufer bereit ist, dafür auszugeben. Da ich mittlerweile, beinahe unbemerkt, vom Jungsammler zum alten Hasen mutiert bin und seit über 30 Jahren „klassisch sammle“, kann ich diesem Trend wenig abgewinnen. Klassische Sammlungen, gleich ob museal oder privat, haben dagegen ihre persönliche Note, die sich in der Vielfalt und Unterschiedlichkeit widerspiegelt.

Wie viele Stücke umfasst deine Sammlung derzeit?
Die Stückzahl liegt bei knapp 750 und ist in den vergangenen Jahren nicht besonders angestiegen. Was aber nicht heißen soll, dass es nicht trotzdem jede Menge Neuzugänge gegeben hat. Vergangenes Jahr sind wieder 29 neue Stücke eingeordnet worden. Damit eine Sammlung lebt, muss sie bewegt werden! Es gehören neue Stücke hinein, aber zeitgleich auch qualitativ nicht mehr passende Exponate ausgeschieden. Hätte ich alle Stücke behalten, die jemals in meiner Sammlung waren, dann wäre die Stückzahl heute garantiert dreimal so hoch und ein Platzproblem vorprogrammiert.

Welche Länder sind für Fluoritsammler besonders interessant und welche Fundstellen sind die wichtigsten?
Natürlich gibt es auch bei Fluorit einige Fundstellen, die über viele Jahre hindurch hervorragende Exemplare hervorgebracht haben. In erster Linie fallen mir hierzu spanische Bergbaue, wie Berbes und La Collada ein, dicht gefolgt von der Elmwood Mine in Tennessee, aber auch die mächtigen Fluoritabbaue von Illinois und Kentucky, alle USA, sowie die Okorusu Mine in Namibia – und nicht zu vergessen das Bergwerk Xianghuapu in Hunan, China. Aus diesen Fundpunkten sind in der Vergangenheit „gefühlte Unmengen“ an hervorragenden Kristallen aufgetaucht. Hierbei handelt es sich um Stücke, die alle Mineraliensammler gleichfalls begeistern und wo auch der Markt tausende Stücke in sehr kurzer Zeit verschlingen kann. Der Spezialist ist zwar beinahe gezwungen, aus diesem vielfältigen Angebot, die eine oder andere Topstufe zu erwerben, langweilt sich aber im Großen und Ganzen bei derartigen Massenfunden. Der Fluoritsammler fühlt sich viel mehr zu Stücken hingezogen, die aus Fundstellen stammen, die nur kurz produziert haben und wenig Stücke, sowie besondere Formen oder Paragenesen hervorgebracht haben. Also Stufen, die nur selten angeboten werden oder schwer zu bekommen sind. Besonders wichtig sind auch sogenannte „Klassiker“ oder Stücke aus historischen Funden. Gut, das wichtigste Land sollte für mich als Österreicher meine Heimat sein. Aber eigentlich kann es sich ein Fluoritsammler gar nicht leisten, ein Land zu bevorzugen, denn bei einem Durchläufer-Mineral wie dem Fluorit gibt es weltweit so viele wichtige Fundstellen. Die Liste ist unendlich lang! Die „wichtigste Fundstelle“ ist sehr subjektiv und vor allem, sie ändert sich ständig! Selbst Länder und Bergwerke, die bis dato wenig oder gar nichts an guten Stücken hervorgebracht haben, können praktisch über Nacht zu „wichtigsten Fundpunkten“ werden, zumindest für einige Zeit.

Sind Schwerpunkte sinnvoll, etwa Regionalsammlungen?
Länder- oder regionalbezogene Schwerpunkte sind gerade auch beim Thema Fluorit unausweichlich. Aus vielen Ländern, wie Thailand, Korea, aber auch Schweden oder Norwegen, sind über Jahrzehnte nur vereinzelt Funde schöner Fluorite bekannt geworden. Konträr dazu gibt es beispielsweise im Osten Deutschlands, in Sachsen, Thüringen oder dem Harz, derart viele Fundpunkte, dass schon alleine eine relativ gut sortierte Fluoritsammlung aus dieser Region eine Lebensaufgabe wäre. Diese Fundregion erwähne ich besonders gerne, da sie auch in meiner Sammlung große Wertschätzung genießt und im Moment, mit 73 Exponaten (knapp zehn Prozent der Gesamtstückzahl) sicherlich als ein Schwerpunkt zu bezeichnen ist.

Was macht eine gute Fluoritsammlung aus, was darf nicht fehlen?
Jeder hat seinen ganz eigenen individuellen Sammlungsstil. Eine Kollektion wächst im Normalfall über viele Jahre, in der die Persönlichkeit reift und sich verändert und auch das Konzept mehrfach variieren kann. Eine beachtenswert sortierte Fluoritsammlung kann sich, aus meiner Sicht betrachtet, nur über einen sehr langen Zeitraum entwickeln. Gute Stücke wachsen nicht auf den Bäumen und sind, wenn sie einmal dem Markt entwichen, oftmals für sehr lange Zeit in der Versenkung verschwunden. Ein ernsthafter Fluoritsammler muss immer gut informiert sein, was an Neuem auftaucht. Man sollte nicht verzweifelt nach Stücken suchen, die es einfach im Moment nicht gibt. Diese treten immer wieder durch Zufall zu Tage, zumeist aber dann, wenn sie gerade nicht in den Finanzplan passen. Man muss dann zugreifen, wenn die Stücke angeboten werden. Wenn ich die letzten drei Jahrzehnte Revue passieren lasse, denke ich sofort daran, welch unglaubliche Fluoritstufen zu Beginn der 1990er Jahre, nach dem Fall des Eisernen Vorhanges, aus den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion sowie der einstigen DDR kamen. Ein wahres Füllhorn an Qualität und auch Menge. Oder einige Jahre vor dem Jahrtausendwechsel, als neue Funde aus China ebenfalls neue Maßstäbe setzen konnten. Das sind die richtigen Momente, um zuzugreifen und die Sammlung gezielt auszubauen! Aber auch historische Stücke sollten auf keinen Fall in einer gut sortierten Sammlung fehlen. Gerade geschichtsträchtig bezettelte Stufen und Stücke aus Nachlässen berühmter Sammler machen eine Kollektion erst authentisch und besonders anerkennenswert!

Gibt es ein spezielles Fluoritgefühl?
Ein spezielles „Fluoritgefühl“ überkommt mich immer dann, wenn ich den kleinen Holzschrank öffne, worin meine zehn besten alpinen Rosafluorite, getrennt von Rest der Sammlung, aufbewahrt werden. Dort befinden sich jene Stücke, die sich ein Flußspatsammler in seinem Leben gönnen muss! Neben „Frederic“ steht ein weiterer dunkelrosa gefärbter Mont Blanc-Fluorit, mit 5 cm Kantenlänge, aufgewachsen auf einem 10 cm großen Rauchquarz-Schwimmer. Die Stufe wurde von Christoph Peray im August 2006 gefunden und ist eines der wenigen Stücke aus der bekannten „Laurent-Kluft“. Der weltberühmte Namensgeber ging damals an das Pariser Naturkundemuseum. Wie viel Herzblut und Fluoritgefühl in diesen Schätzen steckt, die unter lebensgefährlichsten Bedingungen aus immens steinschlaggefährdeten Wänden vom Dach Europas geborgen wurden, zeigt alleine schon die Tatsache, dass die wenigen bedeutenden Fluoritstufen auch Namen tragen! Der Anblick dieser scharfkantigen rosaroten Pyramiden, geistig verknüpft mit der Schroffheit des lebensfeindlichen Geländes, aus dem sie stammen und der Gedanke an die vielen Strahler, wie etwa Laurent Chatel oder Georges Bettembourg, die bei der Suche nach diesen Schätzen in die Tiefe gerissen wurden, hat zugleich auch etwas Mystisches an sich.

Gibt es einen idealen Fluorit, von dem jeder träumt?
In meiner Vorstellung müsste ein idealer Fluorit aus den Westalpen stammen, eine dunkle rosa bis rote Färbung aufweisen und auf Rauchquarz aufgewachsen sein. Im Sommer 2007 erwarb ich schließlich „Frederic“, der nach vielen schlaflosen Nächten der Entscheidungsfindung, die Bezeichnung „Traumstück“ auch wahrhaft verdient hat. Die Stufe wurde im August 1999, vom französischen Cristallier Frederic Ancey (nachdem das Stück auch benannt ist), am Grands Montets-Grat der Aguille Verte-Nordflanke bei Chamonix, aus einer Kluft in 3500 m Höhe geborgen. Dieser Sammlungsneuzugang eines rund 10 cm großen Rauchquarzes, der einen knapp 5 cm messenden und dunkelrot gefärbten Fluorit trägt, hat sich relativ schnell herumgesprochen. Eine zeitlang wollte der Strom von Besuchern, die sich gerne einmal meine Sammlung ansehen wollten, nicht mehr enden. Es dauerte nicht lange, bis auch die ersten Gäste aus Übersee kamen. Besonders gefreut hat mich dabei der Besuch von Fluoritsammler-Legende Herb Obodda, den ich sehr schätze und in seinem Sammelstil und der Auswahl seiner Stücke, auch immer ein wenig als Vorbild gesehen habe. Nach vielen Gesprächen mit Sammlern und internationalen Tophändlern und der Ablehnung einiger Kaufangebote, die der Fluoritsammler aufgrund der Höhe bereits als beinahe „unmoralisch“ bezeichnen würde, war klar, dass diese Stufe einem idealen Fluorit sehr nahe kommen würde.

Was darf ein Fluoritsammler zurzeit nicht versäumen?
Im Moment gibt es bedeutende Neufunde aus der Inneren Mongolei, nicht nur mit wasserklaren oder auch recht unterschiedlich gefärbten Kristallen, sondern auch in noch nie dagewesenen Vergesellschaftungen, wie beispielsweise Fluorit auf Prasemquarz, Magnetit, Helvin oder den besten Löllingiten, die es jemals gab! Viele Bergwerke in Spanien sind seit kurzer Zeit wieder produktiv, neuerliche gute Funde somit vorprogrammiert. Aus der Panasqueira Mine in Portugal kamen erst kürzlich die besten Fluorite, die es dort jemals gab. Nicht zu vergessen ist auch Namibia, das in den letzten zehn Jahren zu einem Hauptlieferant für Fluorit-Sammelstufen geworden ist. Die Ausbeutung einer über 40 m langen Pegmatitmiarole am Hohenstein-Massiv im Erongo lieferte mit den sogenannten „Augen-Fluoriten“, erst vor wenigen Jahren, die wahrscheinlich spektakulärsten Fluorite – mit dem größten Wiedererkennungswert, den es jemals gegeben hat!

Wollte schon jemand deine Sammlung haben?
Da meine Kollektion aufgrund der langen und intensiven Sammeltätigkeit inzwischen relativ gut durchsortiert ist und sich beinahe zu jedem Thema auch ein passender und guter Fluorit darin findet, werden Fotos meiner Stufen auch gerne für diverse Artikel und Veröffentlichungen verwendet. Mehr als ein Viertel der Stücke sind inzwischen in Fachbüchern oder Sammlermagazinen weltweit abgebildet. Auf Sonderschauen in Tucson oder mehrere Male in München waren etliche Stufen auf den Sonderschauen der wichtigsten Veranstaltungen ausgestellt. Da kommt es natürlich schon vor, dass besondere Stücke auch weitere Liebhaber finden würden. Immer wieder bekomme ich Angebote, hauptsächlich aber für Einzelstücke. Aus Übersee gab es auch schon Andeutungen, dass nicht nur Einzelstücke, sondern die gesamte Kollektion interessant wäre. Im Moment habe ich aber noch zuviel Freude an den Stücken. Außerdem würde ich mich um die vielen schönen Neufunde oder die Klassiker aus aufgelösten Sammlungen bringen, welche schon in naher Zukunft wieder auf dem Markt sein werden. Aber die letzte Hose hat bekanntlich keine Taschen und so wird sich auch meine Sammlung irgendwann wieder in alle Windrichtungen zerstreuen. Andere Sammler werden sich über meine Stücke erfreuen und das ist auch gut so!

Wovon träumst du noch für deine Fluoritsammlung?
In der Vergangenheit habe ich mir bereits viele meiner Träume erfüllen können und dafür bin ich sehr dankbar. Viel schwieriger als ich dachte, ist es, den Gefallen an den vielen normalen Stücken nicht zu verlieren, wenn auf einmal eine Weltklassestufe dazwischen liegt. Meine Wünsche gehen eher in die Richtung von Lebensfreude und Gesundheit, damit ich mich noch viele Jahre an meinen Stücken erfreuen kann. Die Stufen kommen bei Gelegenheit von ganz alleine. Heute kann ich auch damit leben, wenn in Tucson oder München mal kein Stück für die Sammlung dabei war. Sammeln ist zwar unentwegtes Streben nach Neuem und Verbesserung, ich habe aber auch gelernt, Erreichtes zu genießen und mich darüber zu freuen.

Was sind deine Ziele für die Zukunft?
Zurückblickend hatte ich bei meinen unzähligen mineralogischen Reisen, beginnend in den 1990er Jahren in Rumänien oder in Sachsen, immer wieder das Glück, die richtigen Leute zu treffen oder im richtigen Moment vor Ort zu sein. Natürlich muss man Fortuna aber auch die Chance dazu geben, für sich tätig zu werden. Bei vielen bedeutenden Funden durfte ich anwesend sein, wie etwa der Entdeckung von Topas in Patagonien, Argentinien, der Bergung des „Weardale Giant“ in der Rogerley Mine, England oder beim Fund der Fluorite mit den verdrehten Phantomen in der Okorusu Mine in Namibia. Es gelang mir, die Fundumstände zu dokumentieren und durch zahlreiche Artikel und Vorträge für die Nachwelt zu erhalten. Ich möchte auch künftig in diese Richtung arbeiten, um Sammlerkollegen und die Leser meiner Artikel auf diesem Wege weiterhin an Funden teilhaben zu lassen. Durch Wissen über Fundumstände beginnen die Stücke im Kopf des Betrachtes eine Geschichte zu erzählen und dies halte ich für besonders wichtig für den Fortbestand unserer Mineraliensammlerkultur! Meine Ziele sind weiterhin, an den Ort des mineralogischen Geschehens zu gelangen und meine Hoffnung gilt dem Weltfrieden, damit derartige Reisen auch künftig noch möglich sind. Es freut mich sehr, dass Lapis meiner langjährigen Passion ein Sammlerporträit widmet, denn Anerkennung in Fachkreisen ist – zugegeben – ein wichtiger Bestandteil der Motivation, welche einen Sammler antreibt, seinen eingeschlagenen Weg zielstrebig weiter zu beschreiten.


aus Lapis 9/2015

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