Eigenfund: Euklas-Neufund aus dem Ahrntal, Südtirol

von Michael Theiner, aufgezeichnet von Stefan Weiß

Die meisten Euklasfunde aus Südtirol tragen einen Schleier des Geheimnisvollen, denn exakte Fundstellen wurden von keinem der alten „Stoanesüicha“ bekannt gegeben. Die beiden legendärsten Funde mit den größten Kristallen stammen aus dem Gebiet des Windtals (Valle di Vento) im hintersten (östlichen) Ahrntal, das sich von Prettau über den Hohen Roßhuf (Pizzo Cavallo) bis hinüber zum Osttiroler Umbalkees erstreckt (→Lapis 9/2004).

1918-1928: Die besten Funde

Dieses Gebiet lieferte in den Jahren 1918-1920 den größten und besten Euklas Südtirols, der bisher unter der Fundortangabe „Umbalkees/Osttirol“ lief (→Lapis 9/2004, S. 33): Aus der Privatsammlung des Händlers Anton Berger sen. (1870-1956) in Wien-Mödling beschreibt Himmelbauer (1939) eine enorme Euklas-Gruppe – sie mißt 4 x 4 x 2,2 cm und ist aufgebaut aus farblosen Kristallen bis 2,5 x 1,1 x 1 cm Größe. 70 Jahre lang war der Verbleib des Stückes „aus der Umgebung des Roßhuf-Umball-Gletschers“ ungeklärt. Doch im Frühjahr 2009 gelangte die einzigartige Stufe als Geschenk der Erben von Anton Berger jun. (1901-1956) mit der Fundortangabe „Windtal, Ahrntal“ an das Naturhistorische Museum Wien (Niedermayr 2011). Dort wurde sie inventarisiert als N6910, mit dem Fundort „Rosshuf, Trentino-Südtirol, Italien“ (Dr. Vera M.F. Hammer, pers. Mitt. 12/2018). Ganz offensichtlich war dies der legendäre Euklas, der seinem Finder, dem Ahrntaler Bergführer Johann Voppichler – auch bekannt als „Der alte Trippacher“ – in den 1930er Jahren „den Gegenwert einer Kälberkuh eingebracht“ haben soll.
Im Sommer 1928 barg der Mineraloge Antonio Cavinato von der Universität Padua „auf der rechten Seite des Windtal-Gletschers unter dem Gipfel des Pizzo Cavallo im Gebiet der Dreiherrenspitze“ aus mehreren Klüften in einigen großen Gneisblöcken Euklas-Kristalle bis 2 cm Länge, teils als Gruppen bis über 3 cm Größe – der sicherlich reichste Südtiroler Fund (→Lapis 9/2004, S. 33). Dann wurde es lange still um weitere Funde. Es sollte bis 1982 dauern, als Josef Steger (Kasern) im mittleren Windtal in zwei chloritgefüllten Klüften etliche klare, lose Euklas-Doppelender bis max. 7 x 6 x 4 mm Größe entdeckte.

Anfang Juni 2018

… machte sich Michael Theiner, mit Mitte zwanzig einer der jüngsten Ahrntaler „Stoanesüicha“, zur Kristallsuche ins Rotbachtal auf, in ein Gebiet nur wenig oberhalb der gleichnamigen Alm. Die dort anstehenden Gesteine der Unteren Schieferhülle liegen nur wenige Kilometer südlich der Zentral-gneis-Zone des Schwarzensteins.
Im Rotbachtal hatten „die Alten“ schon früher unter steilstehenden Quarzbändern in einer Nord-Süd verlaufenden, mittelsteil nach Westen einfallenden Gneisrippe hübsche Bergkristalle geborgen. Weiter östlich schließen butterweiche Schiefer und stark verfältelte Chlorit-Phyllite mit hellbraunen Karbonatschlieren an, in denen kein Kristallsucher etwas Vernünftiges vermuten würde. Genau hier bearbeitete Michael Theiner eine metergroße Quarzlinse. Die öffnete sich am Rand zu einer halbmetergroßen, steilstehenden Querkluft. Ganz oben lag lose ein glänzender kantiger Kristall, den Michael für „Apatit“ hielt und ihn in den Mund steckte, um ihn nicht zu verlieren. Da blieb er den ganzen Nachmittag, während Michael aus der Kluft zuerst farblose Bergkristalle bis über 5 cm Länge zog, alle eigenartig brekziiert und wiederverheilt. Darunter lagen Stufen mit Hellglimmer, zerfressenem Periklin, etwas Rutil und reichlich Ankerit. Adular war nirgends zu beobachten.
Einige Tage später zeigte er den „Apatit“ seinem Kollegen Roland Brugger aus St. Johann – und der hatte sofort einen Verdacht: Zwar war der Kristall sechseckig, jedoch flach und keilförmig, mit deutlicher Längsriefung, definitiv ein Doppelender –
1,3 cm lang, 1 cm breit und rund 5 mm dick. Nun zog er noch Rudl Innerbichler zu Rat und beide waren sich einig: Dies konnte nur ein Euklas sein, und zwar der größte, der im Ahrntal seit über 60 Jahren zu Tage gekommen war. Nun arbeitete Michael Theiner noch mehrere Tage intensiv an seiner Fundstelle, doch sein Euklas blieb der einzige!
Auch der Autor dieser Zeilen hatte Gelegenheit, den Euklas-Kristall und seine absolut typische Fundstelle zu begutachten: Adular-frei, reich an Periklin und Ankerit; mit typisch „zerschossenen“ Quarzkristallen, dazu  Rutilnadeln und feinblättriger Hellglimmer; als Fiederkluft-Schar in intensiv verschieferten Nebengesteinen, die Karbonat-Schlieren enthalten – alles lehrbuchmäßige Hinweise auf Euklas (vgl. Lapis 9/2004, S. 27). Dennoch blieb der beschriebene Euklas tatsächlich ein „Solitär“ – so wie es bei diesem seltenen Beryllium-Silikat öfters der Fall zu sein scheint.

Mein herzlicher Dank
… geht an Roland Brugger (I-39030 St. Johann/Ahrntal) und den erst kürzlich verstorbenen Rudl Innerbichler, die mir die neue Euklasfundstelle zeigten und die, ebenso wie Josef Steger (I-39030 Prettau), über historische Funde und ihre Entdecker informierten.


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