Naturkundemuseum Stuttgart: Leben im Bernsteinwald
Bernstein erzählt Geschichten. Sei es der verzweifelte Überlebenskampf einer Schar Ameisen, die beim Versuch, ihre Brut in Sicherheit zu bringen, vom heranquellenden Baumharz einer Araukarie eingeschlossen wurden, der Mythos um das verschollene Bernsteinzimmer oder die bizarre Story um eine gefälschte Latrinenfliege aus den 1960er Jahren.
Noch bis zum 28. Juli 2019 lädt die Große Landesausstellung „Leben im Bernsteinwald“ des Stuttgarter Naturkundemuseums ein auf eine Zeitreise in die Erdgeschichte und hinein in drei ganz unterschiedliche Bernsteinwälder: Burma vor 99 Millionen Jahren (als noch Dinosaurier die Erde bevölkerten), das Baltikum vor rund 40 und die Dominikanische Republik vor 16 Millionen Jahren. Die ausgestellten Inklusen – Einschlüsse von Tieren und Pflanzen in Bernstein – zeigen in einer verblüffenden Detailgenauigkeit, wie das Leben vor Millionen von Jahren aussah. Dem Besucher bietet sich mit einzigartigen Exponaten wie einem der weltweit größten Bernsteinfunde, dem Stück mit den meisten Inklusen oder der ältesten Vogelfeder ein einzigartiger Blick in die Vergangenheit.
„Diese Sonderausstellung zeigt die schönsten Einschlüsse in Dominikanischem und Baltischem Bernstein sowie etliche Großstücke aus unserer Sammlung. Darüber hinaus präsentieren wir auch wissenschaftlich bedeutende Einschlüsse aus rund 100 Millionen Jahre altem Burmesischem Bernstein, die ein neues Licht auf die Evolution verschiedener Tiergruppen werfen“, so Ausstellungskurator Dr. Arnold Staniczek (der bereits die „Rolling Stones“-Steinfliegen populär machte, siehe Lapis 7-8/2018, S. 8).
Für Museumsdirektorin Johanna Eder ist die Ausstellung eine hervorragende Gelegenheit, die Schätze der enormen Bernsteinsammlung des Naturkundemuseums, die mit 30.000 Fundstücken zu den zehn größten der Welt zählt, einem breiten Publikum zu präsentieren. Mit dabei sind auch viele „ganz abgefahrene Tiere“, wie es Kurator Staniczek anschaulich formuliert – etwa der mit dickem Stirnzapfen ausgestattete Termiten-Soldat, der das urzeitliche Nest zu verteidigen hatte; ein Schuppenkriechtier, eine „tänzelnde“ Gottesanbeterin oder die älteste bekannte Vogelfeder der Welt – eingeschlossen in einem 130 Millionen Jahre alten Bernstein aus dem Libanon. Und auch dem Urahn des Schmetterlings sind die Wissenschaftler auf die Spur gekommen: Der „Taumelflügler“ hatte noch keinen Saugrüssel und trug primitive Schuppen – ganz anders, als die Urzeitforscher dachten.
„Tänzelnde“ Gottesanbeterin (1,7 cm), eingeschlossen in Dominikanischem Bernstein. Sammlung & Foto: SMNS
Einigen Rätseln aus dem Reich des Bernsteins kann der Besucher in der Ausstellung auch selbst auf die Spur kommen – etwa der Unterscheidung zwischen echtem und gefälschtem Bernstein.
Ort: SMNS, Museum am Löwentor, Rosenstein 1, 70191 Stuttgart, geöffnet Di-Fr 9-17, Sa/So//Fei 10-18 Uhr.
Auch die kulturhistorischen Aspekte des fossilen Baumharzes kommen nicht zu kurz: Als „Gold der Ostsee“, fasziniert es die Menschen seit der frühen Bronzezeit als Schmuck-Objekt. Traditionelle Handelswege, die Bernsteinstraßen, durchzogen schon vor Jahrtausenden den ganzen europäischen Kontinent. Fürsten zeigten sich ihre gegenseitige Wertschätzung mit Bernstein. Bestes Beispiel hierfür ist das sagenumwobene Bernsteinzimmer, das der preußische König Friedrich I. Anfang des 18. Jahrhunderts dem russischen Zaren zum Geschenk machte.
Weitere Info: www.naturkundemuseum-bw.de