Bergkristalle aus Carrara, Italien
von Antonio Miglioli
Kleine Marmordruse mit Bergkristall (1,6 cm), gediegen Schwefel, Gips und Fluorit. Cava La Facciata, Val di Torano. Sammlung und Foto: Antonio Miglioli
Kristallisierter Quarz ist weltweit verbreitet und gilt als eines der bekanntesten und attraktivsten Sammlermineralien – nicht nur wegen seiner besonderen Ästhetik, sondern auch aufgrund seiner Härte und Beständigkeit. Es gibt kaum einen Sammler, der dieses weltweit verbreitete Mineral nicht besitzt, denn es lässt sich oft sogar selbst finden oder zu vernünftigen Preisen erwerben. Thematische oder regionale Quarz-Spezialsammlungen werden sehr häufig angelegt, was nicht nur der Vielfalt von Wachstums- oder Kristallisationsformen des Quarzes geschuldet ist, sondern auch der breiten Palette seiner Farbtöne. Natürlich ist es sehr schwierig, eine Art „Hitliste“ der begehrtesten Quarze aufzustellen, denn das hängt sehr vom individuellen Geschmack des einzelnen Sammlers ab. Betrachtet man aber in erster Linie Eigenschaften wie Transparenz und Reinheit der Kristalle, ihre kristallographische Perfektion und ihren Glanz, und stellt die absolute Kristallgröße nicht in den Vordergrund, so nehmen die Quarzkristalle aus Carrara sicherlich eine Führungsrolle ein.
Bergkristalle aus Carrara, Italien
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Der unterirdische Steinbruch der Cava Ravaccione ist der größte seiner Art weltweit. In riesigen Kammern im Berg gewinnt man den „Bianco Statuario“, den edelsten Marmor. Foto: Antonio Miglioli
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Carrara – weiße Marmorklippen über blauem Meer: Diese Aufnahme der „luftig“ gelegenen Cava della Piastra zeigt beispielhaft den Marmorabbau in den Apuanischen Alpen. Foto: Antonio Miglioli
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Wie „gestapelt“ erscheint die Abbauwand eines typischen Marmorsteinbruchs. Das Heraussägen einzelner Blöcke mit diamantbesetzten Stahlseilen erlaubt einen absolut erschütterungsfreien Abbau. Foto: Antonio Miglioli
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2,9 cm hoher Bergkristall aus der Cava La Facciata, Val di Torano. An der Basis sitzt eine mm-große gelblichgrüne Zinkblende. Sammlung und Foto: Antonio Miglioli
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„Siamesische Zwillinge“: Schräg verwachsene Bergkristalle bis 2,7 cm Länge aus der Cava Lorano, Val di Torano. Sammlung und Foto: Antonio Miglioli
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Leicht angelöst: Doppelendige Bergkristalle bis 2,7 cm Länge auf Calcitmatrix, mit Eisen-Oxiden. Cava Fantiscritti im Val Fantiscritti. Sammlung und Foto: Antonio Miglioli
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In Carrara eine Rarität: Doppelendiger Bergkristall mit Negativ-Zepter (links), 1,7 cm breit. Fossa degli Angeli, Val di Torano. Sammlung und Foto: Antonio Miglioli
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Auf einer Milchquarz-Gruppe (4,5 cm) sitzt ein spitzpyramidaler Anatas-Doppelender (4 mm). Daneben erscheinen milchweiße Adular-Rhomboeder und Calcit, der umgewandelten Ankerit/Siderit überwächst. Cava Crestola Bassa bei Torano. Sammlung und Foto: Antonio Miglioli
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Von unglaublicher Transparenz und Reinheit: Isometrischer Bergkristall als Linksquarz, 2,7 cm groß. Cava La Facciata, Val di Torano. Sammlung und Foto: Antonio Miglioli
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Wasserklarer Bergkristall (2,9 cm) aus der Cava Lorano, Val di Torano. Solch perfekte, spiegelblanke Kristalle sind Zeugen praktisch ungestörter Wachstumsbedingungen. Sammlung und Foto: Antonio Miglioli
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Perfekter Bergkristall als Rechtsquarz (3 cm), mit kleinen Anwachsungen (Vizinalen) auf einer rhomboedrischen Endfläche. Cava La Facciata, Val di Torano. Sammlung und Foto: Antonio Miglioli
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Kleine Marmordruse mit Bergkristall (1,6 cm), gediegen Schwefel, Gips und Fluorit. Cava La Facciata, Val di Torano. Sammlung und Foto: Antonio Miglioli
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Wasserhelles Bergkristall-Prisma (3,3 cm) mit Calcit. Die leicht rosafarbene Tönung im Hintergrund stammt von einen Rasen aus Dolomitkristallen, die vermutlich geringe Mangan-gehalte aufweisen. Cava Crestola Bassa bei Torano. Sammlung und Foto: Antonio Miglioli
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Bergkristall als Linksquarz (2,2 cm hoch), neben Calcit und perlmuttartigem Dolomit. Cava Lorano, Val di Torano. Sammlung und Foto: Antonio Miglioli
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Perfekte klare, frei gewachsene Bergkristalle waren lange Zeit, bis zum Ende der 1960er Jahre, praktisch das einzige Mineral aus dem Marmor von Carrara, das Steinbrucharbeiter wie Sammler dort suchten. Erst zu Beginn der 1970er Jahre führten genauere wissenschaftliche Untersuchungen zur Entdeckung weiterer, zuvor unbeachteter und teils äußerst seltener Mineralien (→Lapis 11/1978). Seither zogen die Steinbrüche von Carrara immer mehr Forscher und Sammler an, zahlreiche neue und oft perfekt kristallisierte Sulfide und Sulfosalze wurden entdeckt (→Lapis 7-8/2007). Besonders begehrt sind klare Zinkblende, bizarre Wurtzite und Raritäten wie Colusit und Sulvanit (→Lapis 1/2000).
Ein ganz besonderes Muttergestein
Die Marmorvorkommen der Apuanischen Alpen, speziell in der Region Massa Carrara, wurden bereits zu Zeiten der Etrusker abgebaut. Die Römer schufen damit großartige Bauten und Kunstwerke, und noch heute gilt das Gestein weltweit als begehrter Werk- und Baustoff. Reinheit und gleichmäßige Körnung verleihen dem weißen Marmor aus Carrara eine ganz besondere, wachsartige Transparenz und Leuchtkraft. Die Apuanischen Alpen erstrecken sich in Richtung Nordwest–Südost zwischen den Provinzen Massa Carrara und Lucca über rund 400 Quadratkilometer Fläche. Die schroffen und steilen Gebirgshänge ragen, am Monte Pisano, bis in 1.946 Meter Höhe auf. Die Ablagerung der Gesteine erfolgte während der oberen Trias vor rund 220 Millionen Jahren, als sich ein tropisches Flachmeer, die Tethys, mit dolomitischen und vor allem mit kalkigen Schlammschichten füllte. Mit weiterer Absenkung des Meeresbeckens entstanden großräumig weiße Kalke, die bis zu 700 m Dicke erreichten. Als vor rund 35 Millionen Jahren die afrikanische Kontinentalplatte im Zuge der Alpenbildung mit der europäischen Kontinentalplatte kollidierte, wurde diese mächtige Kalkschicht verfaltet, abgeschert und zerstückelt. Unter enormem Druck und bei Temperaturen von 350-450°C verwandelten sich Teile der Kalkschicht in Marmor. Bei dieser Regionalmetamorphose vergröberte sich das Gestein, große Calcitkörner wuchsen. Tonige Partien verglimmerten zu Phylliten, sandige Partien verwandelten sich in Quarzite. Chemische Stoffwanderung und starke Deformation schufen verschiedene Marmorvarietäten; sie reichen von unreinen „vielfarbigen“ Marmoren bis zu reinen Calcitmarmoren des edelsten „Statuario“-Typs, der auch von Bildhauern besonders geschätzt wird. Die schönen und begehrten, gut kristallisierten Mineralien scheinen fast ausschließlich auf den weißen Statuario-Marmor beschränkt (denn dieser wird bevorzugt abgebaut!); sie finden sich hier jedoch nur ganz lokal und in geringer Menge, was sie um so begehrenswerter macht.
„Geoden“ im Marmor
Kristallbesetzte Hohlräume finden sich im Marmor nur sehr selten. Ihre Größen sind extrem variabel; sie reichen von wenigen Zentimetern bis zu über einem Meter Länge. Auch ihre Form ist sehr unterschiedlich; es finden sich rundliche Hohlräume, aber auch lange schmale Spalten oder sogar röhrenförmige Schlote. Allen gemeinsam sind mm- bis cm-große Calcit-Kristalle, die gleichmäßig alle Wandungen des Hohlraums bedecken. Solche „Geoden“ im Marmor sind ein Glücksfall für die Sammler; für die Steinhauer sind sie dagegen ein wahrer Fluch, denn sie gelten als „Fehler“ im Marmor. Daher richten sie ihren Abbau mit hohem technischem Aufwand auf die besonders reinen, möglichst drusenarmen Zonen des Marmors, wobei möglichst wenig Abraum anfallen sollte – und das macht die Tätigkeit der Sammler nicht gerade einfacher!
Die Geoden sind praktisch ausschließlich auf eine weiße Maserung beschränkt, welche die Steinbrucharbeiter als „macchia bianca“ bezeichnen, die „Schneeflecken“. Speziell auf glatt gesägten Marmorwänden des begehrten Statuario-Marmors lassen sich hellere Bänder – in Dicken von wenigen Zentimetern bis über 20 cm – beobachten. Sie zeichnen sich gegenüber der Hauptmasse des Marmors durch eine noch höhere Reinheit und Leuchtkraft aus. Entlang dieser planaren Zonen lassen sich Blöcke leichter „gegen die Maserung“ abheben, wie es die Arbeiter ausdrücken. Die „macchia bianca“ besteht vorwiegend aus Calcitkörnern, die zwei- bis dreimal größer als im Rest des Marmors sind; dieser enthält immer auch mehrere Prozent an toniger, zu feinschuppigem Muskovit umgewandelter Substanz. Dagegen führt die weiße Maserung deutliche Anteile an Quarz und Albit.
Verräterische Einschnürung
Ein untrügliches und höchst gesuchtes Anzeichen für Drusenhohlräume sind Ausdünnungen und Einschnürungen dieser weißen Maserung. Sie verhält sich bei tektonischer Deformation etwas spröder als der umliegende, plastisch reagierende Marmor, so dass hier Hohlräume aufreißen konnten, ganz ähnlich den alpinen Boudinklüften. Die Kristallisation der ältesten Drusenmineralien – darunter auch der Quarz – erfolgte vermutlich bei Temperaturen von 350-400°C und einem Druck von 3-5 Kilobar in einer Tiefe von 10-15 Kilometern. Die ebenso seltenen wie begehrten Kristalle gediegenen Schwefels entstanden dagegen erst bei unter 100°C, und zirkulierende Karstwässer konnten Calcit, Aragonit oder auch Gips noch bei deutlich niedrigeren Temperaturen absetzen. Grundsätzlich enthält der Calcit im Marmor mehr Magnesium als der Calcit der Drusen, entsprechend einem Temperaturintervall zwischen 100 und 300°C; die Eisengehalte der Zinkblende deuten auf Bildungstemperaturen von 130 bis 230°C.
Quarze und Bergkristalle
Unter den zahlreichen Mineralien aus den Marmordrusen von Carrara sticht der Quarz weit heraus, denn seine Stufen zählen zur Weltspitze. Er ist das häufigste und am längsten bekannte Mineral der Apuanischen Alpen und er bildet dort, ebenso wie der Gips, die größten Kristalle. Betrachtet man die Hauptmineralien der Marmordrusen an sämtlichen Fundorten der Region Carrara, so stellt man fest, dass alle Bestandteile bereits im Nebengestein enthalten waren. So lässt sich die Mineralbildung weitgehend durch „vor Ort“ zirkulierende heiße Lösungen mit Auslaugung des benachbarten Nebengesteins erklären – analog den alpinen Zerrklüften. Dabei enthält die Hauptmasse des Marmors nur geringe Spuren an Kieselsäure, meist unter 0,1% SiO2. Im Marmorbecken von Massa Carrara begann das hydrothermale Wachstum der klaren Bergkristalle – im Normalhabitus und mit deutlichem Makromosaikbau – offensichtlich bereits bei mittleren bis hohen Temperaturen nahe 350-400°C, wobei die Reinheit und Perfektion der relativ flächenarmen Kristalle auf ein besonders langsames und ungestörtes Wachstum hindeuten.
Unter den zahlreichen Mineralien aus den Marmordrusen von Carrara sticht der Quarz weit heraus, denn seine Stufen zählen zur Weltspitze. Er ist das häufigste und am längsten bekannte Mineral der Apuanischen Alpen und er bildet dort, ebenso wie der Gips, die größten Kristalle. Betrachtet man die Hauptmineralien der Marmordrusen an sämtlichen Fundorten der Region Carrara, so stellt man fest, dass alle Bestandteile bereits im Nebengestein enthalten waren. So lässt sich die Mineralbildung weitgehend durch „vor Ort“ zirkulierende heiße Lösungen mit Auslaugung des benachbarten Nebengesteins erklären – analog den alpinen Zerrklüften. Dabei enthält die Hauptmasse des Marmors nur geringe Spuren an Kieselsäure, meist unter 0,1% SiO2. Im Marmorbecken von Massa Carrara begann das hydrothermale Wachstum der klaren Bergkristalle – im Normalhabitus und mit deutlichem Makromosaikbau – offensichtlich bereits bei mittleren bis hohen Temperaturen nahe 350-400°C, wobei die Reinheit und Perfektion der relativ flächenarmen Kristalle auf ein besonders langsames und ungestörtes Wachstum hindeuten.
Die Größen der Quarzkristalle aus Carrara variieren vom Millimeterbereich bis hin zu enormen Individuen mit über 15 cm Länge. Dabei handelt es sich praktisch immer um völlig farblose, hochreine Bergkristalle. Das Innere der Quarze zeigt manchmal Negativ-Kriställchen als Hohlformen, häufig aber auch eingeschlossene Kristalle von Calcit und Dolomit. Ebenfalls ziemlich verbreitet sind röhrenförmige Einschlüsse, die nach außen bis zum Rande der Bergkristalle laufen und die weggelöste Anhydrit-Stengel darstellen. Häufigste Begleitmineralien des Quarzes sind gediegen Schwefel, Dolomit, Gips, Fluorit und Albit.
Höchste Qualität – nur von wenigen Fundstellen
Zwar ist Quarz im gesamten Marmorbecken Massa Carrara verbreitet, doch gibt es nur eine Handvoll Fundstellen, die Bergkristalle höchster Qualität liefern. Die schönsten und dekorativsten Stufen stammen aus dem Valle di Torano nordöstlich von Carrara, speziell aus dem Steinbruch Lorano (Cava Lorano e Pradetto) und der benachbarten Cava La Facciata (beide im „Fossa degli Angeli“), sowie aus der Cava Val Pulita; weitere bekannte Fundstellen sind der Steinbruch Crestola Bassa, ebenfalls im Marmorbecken von Torano, sowie die Steinbrüche bei Gioia im Marmorbecken der Colonnata, östlich von Carrara (siehe die Übersichtskarte in Lapis 7-8/2007, S. 37).
Äußerst wichtig für die Schönheit der Stufen ist die Position der Bergkristalle auf ihrer Matrix. Am begehrtesten sind Matrixstufen mit aufrecht stehenden rechteckigen Kristallen, bei denen unglaubliche Transparenz und kristalline Perfektion am besten zur Geltung kommen. Verbreitet sind auch Kristalle, die flach auf Matrix liegen. Sie heben die unterlagernden glitzernden Calcite wie ein Vergrößerungsglas hervor und schaffen dabei wunderschöne Lichteffekte. Der häufigste und gleichzeitig „minimalistische“ Kristallhabitus zeigt das unverzerrte hexagonale, normalerweise wenig entwickelte Prisma, das an beiden Enden durch das positive bzw. negative Rhomboeder begrenzt wird. Ziemlich häufig sind auch die kleinen Dreiecksflächen des Trapezoeders, deren Position zur hexagonalen Prismenfläche erkennen lässt, ob es sich um einen „Rechtsquarz“ oder um einen „Linksquarz“ handelt. Verzerrte Quarzkristalle sind in Carrara extrem selten und ungewöhnlich, auch in Anbetracht der üblicherweise annähernd „idealen“ Wachstumsbedingungen. Auch wenn der Habitus der Quarze aus den apuanischen Marmoren relativ einfach erscheint, so sind aus der Literatur immerhin 36 verschiedene Flächenformen bekannt. Die extreme Glätte und Perfektion der meisten Flächen erzeugt eine ungewöhnliche Brillanz der Kristalle, wobei der Lichteinfall wie von Spiegeln vervielfacht und intensiviert wird. Absolut einzigartig im Umfeld der apuanischen Bergkristalle sind die seltenen Milchquarze aus dem Steinbruch Crestola Bassa. Sie sind Teil einer typisch alpinotypen Mineralgesellschaft mit Adular, Anatas, Rutil und Brookit. All diese Mineralien sind in einer mehrphasigen Abfolge nacheinander gewachsen.
aus Lapis 5/2016